Manchmal passieren im Leben Dinge, die einem zutiefst erschüttern – auch wenn man nicht unmittelbar betroffen ist. So war es vergangenen Dienstag, am 10.06.2025 in Graz. Während ich mit meiner lieben Mastermindkollegin und Freundin Petra, über verschiedenste Dinge diskutierte, passierte keine 240 km von mir entfernt in einer Schule – einem Ort, an dem Kinder lernen, lachen und wachsen sollten – eine Tragödie. Ein junger Mann kam mit Waffen an seine ehemalige Schule zurück, er tötete und verwundete einige Menschen, bevor er sich selbst das Leben nahm. Meine Gedanken und Fassungslosigkeit konnte ich mir von der Seele schreiben – was blieb, war eine gewissen Art von Hilflosigkeit und der Wunsch, zu helfen. Aus diesem Gefühl heraus fragte ich meine liebe Freundin und Kollegin Petra Springer, eine ausgebildete Traumatherapeutin, ob sie ihre Perspektive in einem Gastbeitrag mit uns teilen möchte. Vielen Dank, liebe Petra, für deine heilsamen Worte.

Manchmal braucht es ein Wunder – Ein Gastbeitrag von Petra Springer

Es gibt Momente im Leben, in denen alles stillzustehen scheint. Momente, die größer sind als Worte, tiefer als Gedanken, erschütternder, als wir sie fassen können. Die jüngsten Ereignisse in Graz haben genau das bewirkt – sie haben Menschen in ihren Grundfesten berührt. Als Mutter & Großmutter, als Traumatherapeutin & Coach für bewusstes Sein empfinde ich tiefes Mitgefühl für all jene, die unmittelbar betroffen sind: Für die Kinder, die Eltern, die Lehrenden – und für alle, die es innerlich miterlebt haben.

All das darf da sein.

Der Schock. Die Sprachlosigkeit. Die Tränen. Die Wut. Die Ohnmacht. Die Enge im Herzen. In solch einem Moment braucht es keine schnelle Lösung, sondern Raum. Raum für Trauer. Für Annahme. Für stilles Dasein. Meine wundervolle Kollegin – Marianne Rott – hat mich gebeten, diesen Artikel zu schreiben. Ich war berührt von ihrer Bitte – und mir zugleich bewusst: Ich will mit meinen Worten nicht versuchen, das Geschehene zu erklären. Sondern Räume öffnen: für Mitgefühl, für Verständnis, für Heilung – und vor allem: für das Leben selbst. Wenn wir als Gesellschaft, als Familie, als Individuum solche Erfahrungen machen, brauchen wir mehr als Worte. Wir brauchen Haltung. Wir brauchen Verbundenheit. Wir brauchen liebevolle Wege zurück in eine Art von Normalität, die Platz lässt für das, was war – und zugleich Hoffnung schenkt für das, was kommen darf. Und ich möchte mit diesem Artikel meine Haltung und meine Position voller Liebe zum Ausdruck bringen. Weil ich es für bedeutsam halte, dass wir solche Erfahrungen offen thematisieren – und gemeinsam achtsam und liebevoll aus der Sprachlosigkeit heraustreten. Mit Klarheit. Mit Mitgefühl. Für eine friedvolle Zukunft. Ich beginne diesen Artikel mit einer einfachen und gleichsam heilsamen Geste. Denn wenn wir im Schockzustand sind, braucht es zunächst die Beruhigung unseres Nervensystems – und damit die absolute Annahme dessen, was ist. Ich lade dich ein, diesen Weg mit mir zu gehen. Mit offenem Herzen. Mit Mitgefühl. Mit Mut.

Was kann ich jetzt tun? – Der Butterfly Hug als liebevolle Soforthilfe

Wenn wir mit Erschütterung, Ohnmacht oder innerer Unruhe konfrontiert sind, reagiert unser Körper oft schneller als unser Denken. Unser Nervensystem springt in Alarm, wir fühlen uns unruhig, kraftlos oder wie erstarrt. Solche Zustände erleben nicht nur die Menschen, die direkt vor Ort sind – sondern auch Eltern, Lehrkräfte, Kinder, Freunde, das gesamte soziale Feld. Von Herzen gern empfehle ich dir in einer solchen Situation eine einfache und gleichsam wahrhaft wirksame Geste: die Schmetterlings-Umarmung – international bekannt als Butterfly Hug. Diese Methode wurde 1997 von den mexikanischen Traumatherapeuten Lucina Artigas und Ignacio Jarero entwickelt – ursprünglich für die Begleitung von Überlebenden des Hurrikans Pauline. Sie hat sich seither weltweit bewährt – in vielen therapeutischen, pädagogischen und auch privaten Kontexten. Ich selbst nutze den Butterfly Hug immer wieder – auch für mich persönlich. Ich bin dankbar, ihn in meinem Leben zu haben. Und ich gebe ihn regelmäßig an meine Klient:innen weiter – als ersten, sanften Schritt zurück zur inneren Sicherheit.

So funktioniert der Butterfly Hug:

  1. Setze oder stelle dich bequem hin.
  2. Kreuze deine Arme vor der Brust, sodass die Fingerspitzen unterhalb deiner Schlüsselbeine ruhen – wie eine liebevolle Selbstumarmung.
  3. Beginne, abwechselnd links und rechts leicht auf deinen Oberkörper zu klopfen – wie die sanften Flügelschläge eines Schmetterlings.
  4. Atme ruhig in den Bauch ein – und ein wenig länger wieder aus.
  5. Wenn du magst, schließe die Augen. Spüre deinen Körper. Spüre den Kontakt. Komm bei dir an.

Diese rhythmische Stimulation hilft dem Körper, sich zu regulieren – sie sendet das leise, aber kraftvolle Signal: „Du bist jetzt in Sicherheit.“ Der Butterfly Hug ist kein Werkzeug aus der Theorie – er ist eine Einladung, ganz bei dir anzukommen. Im Körper. Im Moment. Im Leben. Wenn wir durch einfache, körpernahe Gesten wie den Butterfly Hug wieder im Moment ankommen, spüren wir: Wir sind nicht allein. Wir sind verbunden. Und genau in dieser Verbindung liegt ein tiefer Schlüssel: Sie öffnet den Raum für das, was trägt – für Liebe. Nicht als Gefühl, sondern als Haltung. Als Kraft. Als die stille Einladung, das Leben wieder zu berühren – mit offenem Herzen.

Manchmal braucht es ein Wunder und „Der Wunder größtes ist die Liebe“

…schrieb einst August Heinrich Hoffmann von Fallersleben so wunderbar. Diese kraftvolle Aussage hing in einem alten Bilderrahmen im Schlafzimmer meiner geliebten Oma und er begleitet mich schon ein Leben lang. Seine tiefe Bedeutung wurde mir gerade jetzt – in diesen Tagen – einmal mehr bewusst. In den Tagen, in denen uns das Leben zutiefst erschüttert, wenn Schmerz, Angst oder Ohnmacht wie eine Welle über uns hereinbrechen – dann brauchen wir ein Wunder. Kein spektakuläres, merklich sichtbares. Aber eines, das hält. Eines, das verbindet. Und ja: Dieses Wunder kann und ist die Liebe. Liebe als reichhaltige Kraft, die sagt:

  • „Du bist gesehen.“
  • „Du bist gehalten.“
  • „In diesem Moment genügt es, dass du bist.“

Liebe als Halt:

  • ein Kind in den Arm nehmen – ohne etwas erklären zu wollen
  • sich selbst erlauben, langsam wieder zu atmen
  • gemeinsam schweigend im sicheren Feld der Zuwendung zu sitzen
  • einen Raum in Schule oder Alltag zu schaffen, wo inneres Ankommen möglich ist

Wenn wir Liebe leben – mit Achtsamkeit, mit Stille, mit einem offenen Herzen – dann öffnet sich ein Raum der Wärme, des Menschseins und für Heilung.

Schule als Ort der Liebe – eine neue Vision für eine alte Idee

Wenn wir Liebe als Grundlage für Heilung, Entwicklung und Verbindung verstehen, dann braucht es Orte in unserer Welt, an denen diese Liebe täglich spürbar ist. Schule sollte genau ein solcher Ort sein. Ein Ort, an dem Kinder nicht nur Wissen aufnehmen, sondern sich selbst entfalten. Ein Ort, an dem sie in ihrer Ganzheit gesehen werden – mit Herz, Verstand und Seele. Ein Ort, an dem auch Lehrende sich als sinnstiftende Wegbegleiter erleben – aus ihrer Freude heraus wirkend, mit Licht im Blick und Liebe im Tun. Das alte Wort „Schola“ stammt aus dem Lateinischen. Es bedeutet Muße, Freude, freier Raum für geistige Entfaltung. Nicht Druck. Nicht Bewertung. Nicht Funktion. Sondern: Wachsen dürfen. Was für eine tiefgreifende Bedeutung – und was für ein Aufruf an uns alle! Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, weltweit, Schulen wieder zu solchen Orten der Freude, des Lichts und der Liebe zu machen. Orte, an denen Kinder mit ihrer ureigenen Kraft in Verbindung bleiben dürfen. Mit ihrer göttlichen Anbindung, mit ihrem schöpferischen Wesen. Hier sollen sie erblühen, nicht angepasst werden. Hier sollen sie sich entfalten, nicht genügen müssen. Wenn LehrerInnen sie aus ihrer inneren Freude wirken dürfen, führen sie nicht durch Kontrolle, sondern durch Inspiration. Sie sind dann Begleiter:innen des Wachstums – nicht Verwalter:innen von Stundenplänen.

Eine Aufgabe für uns alle

Diese Vision ist nicht romantisch – sie ist notwendig. Denn Kinder, die in liebevollen, achtsamen Räumen groß werden, tragen dieses Licht in die Welt hinaus. Und sie werden sie gestalten – als Menschen mit Mitgefühl, Bewusstsein und innerer Stärke. Es ist eine politische Aufgabe, diese Bedingungen zu schaffen. Und gleichsam eine Aufgabe für jeden Menschen – für jeden Einzelnen von uns: Für Eltern. Für Lehrer:innen. Für Großeltern. Für Entscheidungsträger. Und nicht zuletzt: für jedes Kind selbst, das durch seine Freude, seine Fragen, seine Lebendigkeit diesen Ort immer wieder neu mitgestaltet. Denn: Wir alle tragen die Liebe in uns. Und wenn wir sie leben – wirklich leben – dann entsteht ein Raum, in dem auch der Friede wachsen kann. Dorthin führt der nächste Schritt. Denn was wir brauchen, um diese Schule der Liebe zu gestalten, ist vor allem eines: Eine neue Haltung Eine bewusste Sprache. Einen wachen Blick.

Haltung, Bewusstsein und die Kraft der Sprache

Um Schulen – und letztlich unser Miteinander – zu einem Ort der Liebe, der Freude und des Friedens zu gestalten, braucht es mehr als Strukturen. Es braucht eine innere Ausrichtung.

Es braucht Haltung.

Haltung gibt Halt – innen wie außen. Sie ist das, was uns trägt, wenn es wackelt. Sie schenkt Orientierung – auch in herausfordernden Zeiten. Und sie zeigt sich nicht nur in unseren Worten, sondern vor allem in unseren gelebten Werten: in Mitgefühl, Achtsamkeit, Präsenz, in der Entscheidung für Frieden. Diese Haltung entsteht nicht zufällig. Sie entsteht durch Bewusstheit. Es braucht das bewusste Wahrnehmen dessen, was ist: Was denke ich gerade? Was fühle ich? Wie spreche ich mit mir – und mit anderen? Denn jeder Gedanke wird zu einem Gefühl. Und jedes Gefühl führt zu einer Handlung. Und jede Handlung gestaltet unser Leben – und das der Menschen um uns herum. Ich bin Teil dieser Welt. Ich bin schöpferisch. Ich wirke. Ob ich will oder nicht. Und genau deshalb ist Bewusstsein kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit – gerade in einer Zeit, in der wir als Gesellschaft so oft erschüttert, verunsichert, überwältigt sind.

Dieses Bewusstsein beginnt bei der Sprache.

Denn: Am Anfang war das Wort. Jeder Gedanke setzt sich aus Worten zusammen. Und jedes Wort wirkt – im Außen wie im Inneren. Worte können verbinden oder verletzen. Sie können nähren oder lähmen. Sie verändern, wie wir die Welt wahrnehmen – und sogar, wie unser Körper reagiert. Es ist wissenschaftlich belegt: Sprache verändert biochemische Prozesse im Körper. Worte beeinflussen unsere Genaktivität, unsere Zellkommunikation, unsere Gesundheit. In Momenten, in denen wir mit Angst, Unsicherheit oder Schock konfrontiert sind, neigen unsere Gedanken oft zu Übertreibungen: „Die Welt wird immer schlimmer.“ „Es ist alles nur noch traurig, hart, sinnlos.“ „Früher war alles besser.“ Solche Gedanken lösen im Körper Stress aus: Cortisol steigt, unser Nervensystem geht in den Überlebensmodus. Wir fühlen uns wacher, kampfbereit – und zugleich erschöpft, getrennt, überfordert. Frieden, Freude, Verbindung werden unzugänglich. Deshalb braucht es eine bewusste Entscheidung: Den eigenen Gedanken Raum zu geben – und sie zu beobachten. Sie, wenn nötig, zu korrigieren. Nicht zu verdrängen, sondern zu wandeln. Indem wir das, was geschieht, benennen, ohne es zu überhöhen. Und indem wir beginnen, friedvolle Sprache zu wählen. Sprache, die heilt. Sprache, die verbindet. Sprache, die das Licht in uns und anderen erinnert. Die deutsche Sprache ist reich an kostbaren Worten: zauberschön, lichtvoll, strahlend, vibrierend, duftend, köstlich, wohlig, leicht. Adjektive wie kleine Geschenke – für die Welt, für die Kinder, für die Beziehung. Wenn wir wieder in ganzen Sätzen sprechen: „Ich danke dir von Herzen.“ „Ich wünsche dir einen lichtvollen Tag.“ „Wie schön, dass du da bist.“ – dann geschieht etwas in der Beziehung. Dann entsteht echte Begegnung. Kinder lieben diese Sprache – wenn wir sie ihnen vorleben. Sie übernehmen, was sie fühlen: Wärme, Aufmerksamkeit, Echtheit. Und sie geben es weiter – an ihre Freunde, ihre Lehrer, an die Welt. Wenn Eltern, Großeltern, Lehrer:innen, Schulleitungen, Busfahrer, Nachbarn, Minister, Präsidenten, Journalist:innen – alle Menschen – wieder beginnen, bewusst, friedvoll und mitfühlend zu sprechen, dann verändert sich etwas Grundlegendes:

Wir treten in Verbindung.

Und dort, wo Verbindung geschieht, kann kein Schaden entstehen. Denn, wenn ich mich mit meinem Gegenüber eins fühle, dann will ich ihm nichts antun. In der Liebe ist kein Raum für Gewalt. So beginnt eine neue Schule. Ein neuer Alltag. Eine neue Kultur. Nicht durch Erlasse, sondern durch Sprache. Durch Haltung. Durch Bewusstheit. Und vielleicht erinnert uns ein letztes, stilles Bild an das, was uns tragen kann: In jedem Gedanken, den wir denken, liegt das Wort „Danke“ verborgen. Wenn wir das erkennen, beginnt in jedem Gedanken ein leiser Frieden. Ein Licht. Ein Weg.   Über die Gastautorin: Petra Springer ist Fachdozentin und Coach für bewusste Sprache (LINGVA ETERNA®), BrainLand- und MindMapping-Trainerin, Diplom-Medizinpädagogin sowie Heilpraktikerin für Psychotherapie. Als Bewusstseinscoach und RPT-Traumatherapeutin begleitet sie Menschen auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben – mit bewusster Sprache, klarer innerer Haltung und einem tiefen Verständnis für emotionale Prozesse. Sie arbeitet mit Führungskräften, Teams und Menschen in persönlichen Entwicklungsprozessen. Ihre Vision ist eine Welt, in der Menschen sich selbst erkennen, ihre Potenziale entfalten und dadurch Frieden und Liebe in diese Welt bringen. Mehr über ihre Arbeit: www.springer-petra.de und www.kids-first-trennung.de